Verhaltensnormen (ādāb) und Erziehung im Islam

19. Temmuz 2024

Verehrte Muslime!

In unserer heutigen Hutbe geht es um Ādāb, Verhaltensnormen und Erziehung im Islam.

Adab bedeutet Anstand und wird definiert als eine dezente Fähigkeit, die sich durch Schamgefühl, Höflichkeit, Eleganz, gute Erziehung und gute Manieren auszeichnet und den Menschnen vor peinlichen Situationen bewahrt. (Vgl. Ö. N. Bilmen, Dini ve Felsefi Ahlak Lugatçesi, S. 7)

Hazrat Süleyman Hilmi Silistrevi beschreibt Adab wie folgt: „Adab bezeichnet Verhaltensweisen und Zustände, die im Einklang mit der Vernunft und der islamischen Religion stehen.” (Ali Erol, Hatıratım, S. 86)

Anstand, ist die teuerste und schönste Kleidung, die den Worten und Verhalten ihre Schönheit verleiht. Worte ohne Anstand sind banal und hässlich, Handlungen gekünstelt und augendienerisch und Wissenschaft fade und langweilig.

Anstand ist Schönheit und Feinheit, die es in jeder Lebensphase zu beachten gilt. Anstand ist der Ausdruck der Vollkommenheit des guten Charakters. Daher sagte unser Prophet (s.a.w.), der Stolz des Universums: „Ich bin nur gesandt worden, um die guten Charaktereigenschaften zu vervollkommnen.” (Al-Bayhaqī, Schu’ab al-īmān, 7978)

In welchen Kontexten und wem gegenüber ist Adab geboten? In erster Linie ist der Anstand gegenüber Allah und Seinem Gesandten geboten. Die Ibādāt enthalten neben Elementen, die  Pflicht, wādschib (notwendig) und Sunna sind, auch Elemente des Adab. Die gottesdienstlichen Handlungen erreichen ihre Vollkommenheit durch die Beachtung dieser Umgansformen. Selbst der Zikr Allahs, das Gedenken an Allah, hat seine eigene Umgansform.

Hazrat Abū Mūsā al-Asch’arī, einer der edlen Sahābīs, berichtet von einem Vorfall während der Schlacht von Haybar wie folgt: „Wir waren mit Rasūlullāh (s.a.w.) auf einem Feldzug. Als die Menschen in ein Tal kamen, begannen sie laut den Takbīr zu rufen. Unser Prophet (s.a.w.) sagte: ,Beruhigt euch (erhebt nicht eure Stimmen)! Ihr ruft nicht zu einem, der taub oder abwesend ist, sondern ihr ruft zu einem, der (alles) hört und nahe ist. Und Er ist mit euch.’” (Al-Buchārī, 4205)

Allah Ta’ālā selbst lehrt in folgendem edlen Ayet, wie das Gespräch mit unserem Propheten (s.a.w.) zu führen ist: „O die ihr glaubt, erhebt eure Stimmen nicht über die Stimme des Propheten und redet nicht laut mit ihm, so wie die einen von euch gegenüber den anderen laut sind, damit eure Taten nicht hinfällig werden, ohne dass ihr es merkt.” (Al-Hudschurāt, 49:2)

In diesem Ayet zeigt Allah Ta’ālā allen Muslimen, dass man dem Propheten mit Anstand Respekt erweisen soll. Einige Gelehrte sagten: „Es ist auch verwerflich (makrūh), seine Stimme neben dem Grab unseres Propheten zu erheben. Denn er ist in seinem Grab lebendig.” Sie sagten sogar, es sei verwerflich, seine Stimme in Gegenwart von Gelehrten zu erheben, die als Erben des Propheten gelten. (Rūh al-Bayan, Hudschurāt, 49:2)

Liebe Muslime!

Die Gelehrten, die Freunde Allahs sind, haben den Menschen Anstand beigebracht, indem sie ihn vorlebten und Ratschläge erteilten.

Hazrat as-Sarī as-Saqatī sagte: „Nachdem ich eines Nachts gebetet hatte, streckte ich meinen Fuß in der Gebetsnische (mihrāb) und hörte eine Stimme sagen: ,O Sarī, so sitzen nur Könige!’ Da sagte ich: ,(O Herr!) Bei Deinem Ruhm und Deiner Erhabenheit, ich werde meine Füße nie wieder ausstrecken.’” (Nuzhat al-Madschālis, Adab)

Abdullāh Ibn al-Mubārak sagte: „Wer bei der Einhaltung der Anstandsregeln nächlässig ist, wird bestraft, indem ihm die Sunna-Handlungen entzogen werden. Wer bei der Ausführung der Sunna nachlässig ist, wird mit dem Entzug der Fard-Pflichten bestraft. Wer bei den Fard-Pflichten nachlässig ist, wird der Ma’rifatullah, der Erkenntnis Allahs, beraubt sein.” (Nuzhat al-Madschālis, Adab)

Der Tasawwuf, die islamische Mystik, die den Islam bis in seine Feinheiten aufrichtig lebt, stellt den Höhepunkt des Anstandes dar. Aus diesem Grund sagte Hazrat Süleyman Hilmi Silistrevi (q.s.): At-tarīqu kulluha adab, das heißt, der gesamte mystische Weg besteht aus gutem Anstand. Ein Mensch ohne Adab (ohne Anstand) kann den Schöpfer nicht erreichen.” (Mektuplar ve Bazı Mesail-i Mühimme S. 155) Ich möchte meine Hutbe mit einem Hadith Scharīf beenden: „Macht euren Kindern Geschenke und bringt ihnen gute Manieren bei!” (Al-Bayhaqī, Schu’ab al-īmān, 6/400)