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Üble Nachrede, Zuträgerei und Verleumdung

10. Oktober 2025

Verehrte Muslime!

Es gibt Viren, die unsere Gesundheit als Individuen und als Gesellschaft bedrohen, sowie Viren, die unser geistiges Leben zerstören. Für das Gemeinwohl ist es unerlässlich, sie zu identifizieren und vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen. In meiner heutigen Hutbe möchte ich über geistige Krankheiten wie böswillige Verdächtigung, üble Nachrede, Zuträgerei und Verleumdung sprechen, die den Zusammenhalt einer Gesellschaft gefährden.

Die Ghība, also die üble Nachrede, ist für uns Muslime gleichbedeutend mit dem „Verzehr des Fleisches des toten Bruders”, wie es im Heiligen Koran heißt.

Der Weg dorthin führt über sū az-zann, also über böswillige Verdächtigungen und die Suche nach Fehlern. Wer seine Glaubensbrüder und -schwestern in einer Angelegenheit, für die es keine eindeutigen Beweise gibt, auf die Anklagebank setzt oder nach Fehlern sucht, um eine vermeintliche Schuld zu beweisen, der gerät schließlich in den Sumpf der üblen Nachrede. Daher sagt Allah Taʿālā in der Sure al-Hudschurāt, Ayat 12: „O ihr,  die ihr glaubt, meidet viele von den Mutmaßungen. Wahrlich, manche Mutmaßung ist Sünde. Spioniert nicht und führt keine üble Nachrede übereinander. Mag denn einer von euch gern das Fleisch seines Bruders essen, wenn er tot ist? Ihr verabscheut es doch. Fürchtet Allah. Wahrlich, Allah ist Reue-Annehmend und Barmherzig.”

Wer sich der großen Sünde der üblen Nachrede hingibt, fällt in einen Abgrund egoistischer Begierden, die – wie bei einem Drogensüchtigen – in Bedauern enden. Diese Begierde wird ihn zu Verleumdung, Ungerechtigkeit und vielen anderen Sünden verführen. Abū Huraira (r.a.) überlieferte Folgendes: „Unser Prophet (s.a.w.) wurde gefragt: ,O Rasūlullāh, was ist Ghība, also üble Nachrede?’ Der Prophet (s.a.w.) antwortete: ,Es ist, wenn du etwas über deinen Bruder sagst, was ihm nicht gefällt.’ Der Fragende sagte: ,O Gesandter Allahs, auch wenn das, was ich sage, auf meinen Bruder zutrifft?’ Unser Meister antwortete: ,Wenn das, was du sagst, auf deinen Bruder zutrifft, dann hast du üble Nachrede begangen. Wenn es nicht auf deinen Bruder zutrifft, dann hast du ihn verleumdet.” (Ad-Durr al-Mansūr, Tafsir al Hudschurāt, Ayet 12)

Liebe Muslime! Eine der Angewohnheiten, die die üble Nachrede befeuern, ist namīma, die große Sünde der Zuträgerei. Das bedeutet, dass der Zuhörer das Vertrauliche, das er gehört hat, unter den Menschen weitererzählt. Zuträger unterscheiden sich nicht von Menschen, die ansteckende Erreger in sich tragen. Die einen machen die Gesellschaft körperlich krank und die anderen seelisch und moralisch. Solche seelisch kranken Menschen sind die Ursache für Unfrieden, der bis hin zum Mord führen kann. Unser Prophet (s.a.w.) sagte: „Wer Zuträgerei betreibt, kommt nicht in das Paradies.” (Muslim, 105)

Wer Zuträger schätzt, erkennt nicht, dass er sich damit selbst eine Grube gräbt. Denn ein Nammām, ein Zuträger, ist jemand, der lügen kann und Freude daran hat, die Worte der Person, der er etwas zugetragen hat, an die andere Seite weiterzugeben. Selbst wenn ein Zuträger ehrlich sein sollte, ist das Ergebnis des Grolls, des Hasses und der Feindschaft, die er in der Gesellschaft gesät hat, eine Katastrophe.

Ein Zuträger kam zu Hasan al-Basrī (r.h.) und sagte: „Soundso hat über dich gelästert.” Hasan al-Basrī fragte: „Wann, wo und was hast du dort gemacht?” Der Mann antwortete: „Ich bin heute seiner Einladung zum Essen in seinem Haus gefolgt.” „Was hast du bei ihm gegessen?”, fragte er. Als der Mann acht verschiedene Speisen aufzählte und sagte: „Dies und das habe ich gegessen”, sagte Hazrat Hasan al- Basrī: „Du Frevler! Acht verschiedene Arten von Speisen haben in deinem Magen Platz gefunden, aber nicht ein paar Worte. Scher dich weg!”

Eine der Gefahren, denen ein Mensch ausgesetzt ist, der sich die üble Nachrede zur Angewohnheit macht, ist Verleumdung (iftirā). Allah Taʿālā beschreibt das Ende der Verleumder im Jenseits wie folgt: „Wahrlich, diejenigen die  ehrbaren, ahnungslosen und gläubigen Frauen (Untreue) vorwerfen, sind im Diesseits und im Jenseits verflucht. Für sie wird es eine gewaltige Strafe geben, am Tag, da ihre Zungen, ihre Hände und ihre Füße gegen sie Zeugnis ablegen werden, über das, was sie zu tun pflegten. (an-Nūr, 24: 23-24)

Lasst uns danach streben, unsere Herzen nicht mit Sünden zu beflecken, so wie wir darauf achten, unsere Kleider nicht zu beschmutzen!