Islamische Eheschließung und Scheidung (Nikah und Talaq)

18. August 2023

02. Safar 1445

Verehrte Muslime!

In unserer heutigen Hutbe befassen wir uns mit dem Nikah und dem Talaq, mit der islamischen Eheschließung und Scheidung,. Nach dem islamischen Selbstverständnis gehört die Familie zu den wichtigsten Institutionen, die geschützt werden müssen. Denn der Fortbestand sowie die körperliche und geistige Gesundheit der Menschheit hängt von dieser Institution ab. Der Verfall der Familie führt auch zum Verfall einer Gesellschaft. Der Nikah, die rechtmäßige Ehe, ist zweifelsohne das Fundament dieser Institution. Dadurch wird das Zusammenleben von Mann und Frau legitimiert und sie zu einer rechtmäßigen Familie erklärt. Die Ehe bürdet Verantwortungsbewusstsein auf Mann und Frau, ermutigt sie durch Arbeit zu einem segensreichen Erwerb, lässt jugendliche Träume wahr werden und löst somit Zufriedenheit in den Herzen aus. Durch Vermeidung einer nichtehelichen Beziehung trägt sie zum Wohle einer Gesellschaft bei.

Gemäß unserer Religion ist Nikah ein Vertrag, der  zwischen einem Mann und einer Frau, bei denen keine islamisch-rechtlichen Ehehindernisse vorliegen, auf Dauer für den Rest ihres Lebens geschlossen wird. Der Ehevertrag bildet die Grundlage der Familie und ist zugleich eine Ibadet.

So spricht Allah Te’ala im Kur’an Kerim wie folgt: „Und verheiratet die Ledigen unter euch und die Rechtschaffenen von euren Dienern und euren Dienerinnen.   Sollten sie arm sein, wird Allah sie durch Seine Gunst reich machen. Und Allah ist allumfassend und allwissend.” (Sure an-Nur, 24:32)

Unser Prophet (s.a.w.) betonte die Rolle der Ehe in unserer Religion folgendermaßen: „Der Nikah gehört zu meiner Sunna. Wer nicht gemäß meiner Sunna handelt, gehört nicht zu mir.” (Ibn Madsche, Nikah, 1 (1846))

Die Eheschließung muss in Anwesenheit von zwei Zeugen vollzogen und öffentlich gemacht werden, um einem Verdacht des Ehebruchs vorzubeugen. Rasulullah (s.a.w.) sagte hierzu: „Vollzieht diese Eheschließung öffentlich und vollzieht sie in den Moscheen.” (Tirmizi,  Nikah, 6 (1089))

Bei der Eheschließung sollte auch die Brautgabe (mahr) erwähnt werden. Auch wenn sie keine Bedingung für die Ehe darstellt, gehört sie doch zu den notwendigen Dingen. Die Brautgabe kann sofort ausbezahlt werden wie zum Beispiel Schmuck oder sie kann auch befristet werden. Die sofortige Brautgabe nennt man mehr-i muaccel und die befristete mehr-i müeccel. Der dabei festgesetzte Betrag ist Eigentum der Ehefrau. Der Mann darf darüber ohne ihre Erlaubnis nicht verfügen. Manche nehmen den Schmuck und das Geld, die der Frau bei der Hochzeit geschenkt werden an sich, nach dem Motto linke Tasche, rechte Tasche. Dies ist schlichtweg falsch. Es muss allen klar sein, dass die befristete Brautgabe eine Schuld ist, die der Ehefrau bezahlt werden muss. Leider sind sich viele Menschen dieser Sache nicht bewusst.

Liebe Muslime!

Der Nikah, der die Ehe und die Familie aufrecht erhält, ist ein wichtiger Wert, den man behüten muss. Man darf damit nicht leichtsinnig umgehen. Aus diesem Grund sagte unser Prophet (s.a.w.): „Es gibt drei Dinge, die ernst sind, wenn sie ernst (gemeint sind) und ernst sind, auch wenn sie spaßhalber geäußert werden: die Eheschließung, die Scheidung und die Rückkehr (zur Ehefrau nach einer umkehrbaren Scheidung).” (Tirmizi, Talaq, 9  (1184))

Es ist für jeden Muslim notwendig, die Umstände zu kennen, die den Nikah ungültig machen wie zum Beispiel Aussagen, die sowohl den Ausschluss von der Religion, als auch die Scheidung nach sich ziehen. In diesem Fall müssen sowohl der Iman als auch der Nikah erneuert werden.

Ein weiteres Beispiel ist die Äußerung des Begriffs Talaq, was Scheidung bedeutet. Auch wenn es nur mündlich gegenüber der Ehefrau geäußert wird, so tritt gleich die religiöse Scheidung ein, egal ob es in Anwesenheit oder Abwesenheit von Zeugen getätigt wird. Manche unwissenden Muslime nutzen die Drohung mit der Scheidung als psychologisches Druckmittel gegenüber ihren Frauen aus, was zu irreparablen Konsequenzen führt.

Nach einer religiösen Trauung sind Muslime mit drei geistigen Ehebanden miteinander verbunden. Wer einen Talaq, also eine einmalige Scheidung ausspricht, bricht das erste Band. Wer eine zweimalige Scheidung ausspricht, bricht das zweite Band. In diesen Fällen kann die Ehe, soweit von beiden Seiten gewünscht, wiederaufgenommen werden. Wenn aber alle drei Ehebande gebrochen werden, so ist eine Trennung unumgänglich. Sollten sie ihr Leben unter diesen Umständen weiterführen, so hätten sie religiös keine Ehe mehr. Einer, der drei Talaqs, also drei Scheidungen auf einmal ausspricht, gilt nach allen vier Rechtsschulen mit drei Ehebanden geschieden. Diese Regelungen gelten sicherlich für diejenigen, die eine religiöse Sensibilität haben und ihre Religion dementsprechend leben wollen. Daher sollte ein Muslim den Talaq, also die Scheidung sowohl von seiner Zunge als auch von seinem Herzen fernhalten.