Ehe und Scheidung im Islam (Nikāh u.Talāq)

31. Juli 2025

Verehrte Muslime!

In unserer heutigen Hutbe geht es um Nikāh und Talāq – also um die islamische Ehe und Scheidung.

Bekanntlich entsteht eine Familie durch eine rechtmäßige Ehe. Der Fortbestand der Menschheit hängt von der Existenz der Familie ab, die den Kern der Gesellschaft bildet. Unerlaubte geschlechtliche Beziehungen werden im Islam als Zinā, also als Unzucht, bezeichnet. Unzucht ist verboten. Beziehungen, die auf unerlaubten und sündhaften Grundlagen beruhen und keinem anderen Zweck dienen, als der Befriedigung vorübergehender Gelüste, führen zum Untergang des Fortbestands der Menschheit, zum spirituellen und moralischen Verfall der Gesellschaft sowie zur Zunahme von Hass und Tötungsdelikten.

Die Ehe wird im heiligen Koran besonders hervorgehoben. In der Sure an-Nūr, Ayat 32, heißt es: „Und verheiratet die Ledigen unter euch und die Rechtschaffenen von euren Sklaven und Sklavinnen. Wenn sie arm sind, wird Allah sie durch Seine Gunst reich machen. Und Allah ist Allumfassend und Allwissend.”

Doch wie sieht eine Nikāh, also  eine islamische rechtmäßige Eheschließung, heute aus? Dazu müssen wir die Angelegenheit aus zwei Perspektiven betrachten.

Der erste Aspekt ist die standesamtliche Eheschließung – also die vom Staat anerkannte, rechtlich bindende Ehe, die einen rechtlichen Akt darstellt. Sie ist wichtig und notwendig, um den Mann, die Frau und die zukünftigen Kinder vor möglichen Ungerechtigkeiten, Nöten und Missbräuchen zu schützen. Der zweite Aspekt ist die religiöse Ehe. Da bei der standesamtlichen Eheschließung die Bedingungen einer religiösen Trauung möglicherweise nicht vollständig erfüllt werden, müssen Muslime der religiösen Eheschließung die nötige Aufmerksamkeit schenken.

Liebe Muslime!

Für die Gültigkeit einer religiösen Eheschließung müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Die beiden übereinstimmenden Willenserklärungen der Eheleute, īdschāb und qābul genannt, sind die wesentlichen Säulen einer islamischen Eheschließung.  Zunächst erfolgt der īdschāb, die Zustimmung der Frau, anschließend der qābul, die Annahme des Mannes. Diese beiden Willenserklärungen müssen klar und eindeutig in der Vergangenheitsform ausgesprochen werden, beispielsweise: „Ich habe mich dir als Ehegattin gegeben” und „Ich habe dich als Ehegattin angenommen”. Mit Präsens- oder Futurformen wie „Ich nehme dich”, „Ich werde dich zur Frau nehmen”, „Ich gebe mich” und „Ich werde mich dir als Ehefrau geben” ist eine Ehe religiös nicht wirksam.

Sowohl der Mann als auch die Frau dürfen keine Hindernisse für eine Eheschließung haben, wie beispielsweise Verwandtschaft in gerader Linie, oder Milchverwandtschaft. Ebenso ist es nicht erlaubt, eine Frau zu heiraten, die bereits mit einem anderen Mann verheiratet ist, oder mit einer Frau, deren Ehemann verstorben oder geschieden ist, solange die Wartezeit noch nicht abgelaufen ist.

Beide Partner müssen die Absicht hegen, eine dauerhafte Ehe einzugehen. Eine befristete Ehe, wie die sogenannte Mutʿa-Ehe, ist im Islam nicht erlaubt.

Unser Prophet (s.a.w.) hat in verschiedenen segensreichen Hadithen zur Ehe ermutigt. In einem edlen Hadith heißt es: „Wer die Ehe eingeht, hat die Hälfte seiner Religion gefestigt. Hinsichtlich der anderen Hälfte fürchte er sich vor Allah Taʿālā.” (Ihyā’ ʿulūm ad-dīn, Nikāh)     

Wie man sieht, ist die Ehe somit auch eine Ibāda. Eine Angelegenheit, auf die Verheiratete besonders achten müssen, ist die Scheidung. Ehepartner sind durch drei spirituelle Bindungen miteinander verbunden. Im Islam liegt die Scheidungsbefugnis in der Regel beim Mann, es gibt jedoch einige Ausnahmen. Wenn ein Mann zu seiner Frau die Worte „Ich habe dich geschieden” oder „Du bist geschieden” in der Vergangenheitsform äußert, dann gilt seine Frau als geschieden. Werden diese Worte mehrmals wiederholt, lösen sich entsprechend weitere Bindungen. Eine Frau, die mit zweifacher Scheidung geschieden wurde, kann ihre Ehe mit einer verbleibenden Bindung noch weiterführen. Wer jedoch „Ich habe dich dreifach geschieden” oder „Du bist von mir dreifach geschieden.” sagt, bei dem sind alle drei Bande vor Allah zerrissen.

Daher sollte ein Mann sensibel vorgehen, wenn es um den Fortbestand der Ehe geht, und die Scheidungsformel weder leichtfertig noch als Druckmittel verwenden. Denn die Scheidung ist im Islam wie eine unerwünschte Tür, die in äußerster Not als Notausgang unverschlossen bleibt. In einer edlen Hadith-Überlieferung von ʿAbdullah Ibn ʿUmar, sagte unser Prophet (s.a.w.): „Das bei Allah am meisten verhasste Erlaubte ist die Scheidung.” (Bulūgh al-marām, 318)

Ein wahrer Muslim ist derjenige, der Allahs Zufriedenheit über seine eigenen Wünsche stellt.