Die Überwindung des Zorns
04. Oktober 2024
Verehrte Muslime!
In unserer Hutbe geht es um die Überwindung des Zorns.
Zorn ist eine geistige Eigenschaft, die in der menschlichen Natur vorhanden ist, um auf Ungerechtigkeit, Unterdrückung und Böses zu reagieren. Diese Eigenschaft, die im richtigen Maß in Angelegenheiten wie Religion, Heimat und Ehre eingesetzt werden sollte, ist wie das Feuer, das zum Heizen und Kochen verwendet wird. Es ist nützlich, solange es das rechte Maß nicht überschreitet. Wenn sich jedoch ein Mensch vom Wind des Zorns leiten läßt und dies in Form von Ungerechtigkeit, Unterdrückung, Rache, und Zerstörung zum Ausdruck kommt, dann schadet dies nicht nur der Person selbst, sondern auch seiner Umgebung. Daher ist die Überwindung des Zorns eine Heldentat.
Diejenigen, die ihren Zorn im Zaum halten, werden im heiligen Koran wie folgt als muttaqūn, als Gottesfürchtige, bezeichnet: „(Die Gottesfürchtigen sind diejenigen), die in Wohlstand und Not ausgeben, ihren Zorn unterdrücken und den Menschen verzeihen. Und Allah liebt diejenigen, die Gutes tun.” (Āl-Imrān, 3:134)
Der Zorn schaltet die geistigen Fähigkeiten aus und verhindert ein gesundes Denken und richtige Entscheidungen. Daher schadet ein Mensch, der seinen Zorn nicht kontrollieren kann, sich selbst und anderen durch Beleidigung, Ungerechtigkeit, Unterdrückung und Gewalt. Ja, sogar der Grundstein für endlose Feindschaften wird im Zorn gelegt. Wie bei Schwierigkeiten und Unglücken ist es notwendig, den Zorn mit sabr, mit Geduld und Standhaftigkeit, zu stoppen. In einem Hadith Scharīf sagt unser Prophet (s.a.w.): „Wenn einer von euch im Stehen wütend wird, soll er sich hinsetzen. Wenn sein Zorn vorübergeht, um so besser. Wenn nicht, soll er sich hinlegen. Wahrlich, der Zorn verdirbt den Iman wie der Saft der Aloe Vera den Honig.” Denn im Stehen ist der Zornige viel näher an einem Ereignis mit schlechtem Ausgang als im Sitzen und im Sitzen viel näher als im Liegen.
Liebe Muslime!
Der Zorn ist auch ein Mittel der göttlichen Prüfung. Die Nafs, das Ego, schürt im Augenblick des Zorns den Wunsch nach Rache. Er lässt einen im Recht aufstehen und im Unrecht fallen. Er schürt den Egoismus und lässt sogar das Leben riskieren. Menschen, die in solchen Momenten ihren Willen kontrollieren und ihren Zorn herunterschlucken sind die wahren Helden. Auch dies ist ein Dschichād, ein Kampf gegen das eigene Ego. Rasūlullāh (s.a.w.) sagte: „Der Starke ist nicht derjenige (der) im Ringen, (den anderen besiegt), sondern der Starke ist derjenige, der sich selbst, seine Nafs, im Zustand des Zorns beherrscht.” (al-Buchārī, 6114) In einem anderen Hadith Scharīf heißt es dazu: „Wahrlich, der Zorn kommt vom Schaytan (Satan) und der Schaytan ist wahrlich aus Feuer erschaffen. Feuer kann nur mit Wasser gelöscht werden. Wenn einer von euch zornig wird, soll er die rituelle Waschung vollziehen.” (Ibn al-Kathīr, Āl Imrān, 3:114)
Es ist eine große Tugend, demjenigen, der einen erzürnt, zu verzeichen. Die islamische Geschichte ist voll von solchen Beispielen der Tugend. Eines davon möchte ich hier erwähnen.
Hazrat Ā’ischa, die ehrenwerte Frau unseres Propheten und Tochter von Abu Bakr, wurde von den Heuchlern verleumdet. Diese Verleumdung wurde überall verbreitetet. Es war eine sehr schwere Zeit für unseren Propheten und seine Familie. Doch am Ende dieser Tage wurden die Ayets 11 und 12 der Sure an-Nūr offenbart und Hazrat Ā’ischa entlastet. Das Spiel der Heuchler war durchbrochen. Einer, der sich unbedacht von den Lügen der Heuchler verführen ließ und mit ihrer Zunge redete, war Mistāh Ibn Usāsa, ein Verwandter von Abū Bakr (r.a.). Da er sehr arm war, war er auf die Hilfe von Hazrat Abū Bakr angewiesen. Verärgert über dessen Beteiligung an diesem Vorfall schwor er, ihm nie wieder zu helfen.
Daraufhin wurde der folgende Ayet offenbart: „Und diejenigen von euch, die Überfluss und Reichtum besitzen, sollen nicht schwören, dass sie den Verwandten, den Bedürftigen und den Ausgewanderten auf dem Weg Allahs nichts geben, sondern sie sollen verzeihen und nachsichtig sein. Liebt ihr es selbst nicht, dass Allah euch vergibt? Allah ist allvergebend und barmherzig.” (an-Nūr, 24:22)
Daraufhin schluckte Hazrat Abū Bakr (r.a.) seinen Wut herunter und half Mistāh weiterhin.
Gesegnet sind die Helden, die ihrem Zorn nicht erliegen und ihn herunterzuschlucken wissen, auch um den Preis der Erniedrigung.