Das Recht des Anderen (Huquq al-ibad)

04. August 2023

17. Muharram 1445

Verehrte Muslime!

In unserer heutigen Hutbe geht es um huquq al ibad, um die Beachtung der Rechte von Anderen.
Der Begriff haq hat viele Bedeutungen wie beispielsweise wahr oder richtig. Batil ist dessen Gegenteil, was nichtig und falsch bedeutet. Al-Haq ist auch einer der schönen Namen (asma al-husna) Allah Te’alas.

In der Fiqh-Lehre versteht man unter dem Begriff mulk Besitz und Eigentum, seien es zum einen bewegliche oder unbewegliche Vermögen einer Person, ihre Forderungen, Dinge, von denen sie rechtmäßig profitiert wie gemietete Häuser oder Geschäfte, und zum anderen gehören dazu auch unsichtbare nominelle Werte wie Würde und Ehre. Bei Verletzung dieser Güter greift man in huquq al-ibad, in das Recht des Anderen ein. Rechte bringen auch Verwantwortung und Pflichten mit sich. Da Menschen in der Gemeinschaft leben, müssen sie ihrer Verantwortung und Pflichten nachkommen.

Es geht dabei um folgende Rechte: die Rechte der Eltern, die Rechte von Ehefrau und Ehemann, die Rechte von Kindern, die Rechte von Verwandten, die Rechte von Nachbarn, die Rechte von Lehrern und Schülern, die Rechte von Freunden, die Rechte von Vorgesetzten und Angestellten und gesellschaftliche Rechte. Darüber hinaus gibt es auch Rechte Allahs (huquq Allah) gegenüber seinen Dienern wie die Erfüllung der religiösen Pflichten und Vermeidung von Haram, also Verbotenem.

Unsere Religion befasst sich sehr sorgfältig mit diesen Rechten und hebt insbesondere das Recht des Anderen stark hervor. Denn Allah Te’ala bedarf unserer Ibadat nicht. Er vermag, zu vergeben, wenn man ihn aufrichtig um Vergebung der Sünden bittet. Menschen hingegen sind bedürftige Wesen. So hat Allah ihre Rechte unter Seinen eigenen Schutz gestellt. Daher reicht die Reue bei Vergehen, die die Rechte Allahs betreffen, aus. Aber bei Rechten, die Andere betreffen, reicht sie nicht aus. Man muss die Schuld begleichen oder um dessen Vergebung beim Rechteinhaber bitten.

In einem Hadis Scherif sagt unser Prophet (s.a.w.): „Wer auch immer gegenüber seinem Bruder ein Unrecht in Bezug auf dessen Ehre oder in einer anderen Angelegenheit getan hat, der soll sich heute mit ihm versöhnen, bevor (der Tag der Abrechnung kommt), an dem es keine Dinare oder Dirhams gibt. Andernfalls wird von seinen guten Taten im Ausmaß seines Unrechts weggenommen. Wenn er jedoch keine Wohltaten hat, wird von der Sünde des Rechteinhabers genommen und ihm aufgebürdet.” (Buchari, Mazalim, 10 (2449))     Allah Te’ala sagt diesbezüglich: „Wer auch nur im Gewicht eines Stäubchens Gutes tut, wird es sehen. Und wer im Gewicht eines Stäubchens Böses tut, wird es sehen.” (Az-Zalzala, 99:7-8)

Liebe Muslime!

Es gibt eine Reihe von Angelegenheiten, die das Recht des Anderen verletzen. Zum Beispiel schädigende Lügen, Diebstahl, Meineid, Hinauszögern oder Nichtbezahlung von Schulden, Missachtung religiöser Empfindlichkeiten bei Erbschaft, üble Nachrede, Beleidigung,  Schimpfen, Fluchen, Verletzen, Verspotten, jemanden einen Spitznamen geben oder Verleumden.

Noch schlimmer ist jedoch die unrechtmäßige Aneignung und Nutzung von Gemeinschafts-eigentum wie das der Baytulmal oder der Stiftungen, die dem Gemeinwohl dienen. Da es sich hierbei um Güter des Gemeinswohls handelt, gibt es auch keinen, bei dem man um Vergebung der Schuld bitten kann. Auch die Rechte von Nichtmuslimen sind ebenso wichtig und schwerwiegend. Hier ist besondere Achtsamkeit geboten. Menschen, die die Rechte von Anderen nicht beachten, sind nach den Worten unseres Propheten (s.a.w.) bankrott, wie es im folgenden Hadis Scherif erklärt wird: Rasulullah sagte zu seinen Ashab: „Wisst ihr, wer ein Bankrotteur ist? Sie sagten: „Für uns ist ein Bankrotteur jemand, der weder Geld noch Güter hat.” Daraufhin sagte der Prophet: „Wahrlich, ein Bankrotteur in meiner Umma ist  jemand, der am Tag des Qiyamet mit Gebet, Fasten und Zekat kommt, er kommt, aber hat diesen beschimpft, jenen verleumdet,  das Vermögen von diesem verschwendet, das Blut von jenem vergossen. So dann wird diesem von seinen Wohltaten gegeben und jenem von seinen Wohltaten gegeben. Wenn dann seine Wohltaten ausgeschöpft sind, bevor seine Schuld beglichen ist, werden die Fehler (der Rechteinhaber) genommen und auf ihn aufgebürdet. Danach wird er in den Dschehennem geworfen.“ (Muslim, Birr, 29 (2581))