Das Recht des Anderen achten
26. Juli 2024
Verehrte Muslime!
In unserer Hutbe geht es um die Bedeutung von huqūq al-ibād, türkisch kul hakkı, also das Recht des Anderen.
Es gibt bestimmte Rechte und Pflichten des Menschen in diesem irdischen Leben, das eine Prüfung ist. In einem Hadith Scharīf unseres Propheten (s.a.w.) heißt es dazu: „Wahrlich, dein Herr (dein Schöpfer), hat Rechte an dir, dein Körper und deine Familienangehörigen haben Rechte an dir. So gib jedem Rechtsträger das, was ihm zusteht!“ (al-Buchārī, 1968)
Das wichtigste dieser Rechte ist zweifellos das Recht des Anderen. Denn es besteht die Hoffnung, dass Allah Ta’ālā Seine Rechte aufgrund von Reue und Buße vergibt. Er ist großzügig und braucht niemanden. Vergeben schmälert Seine Schatzkammer nicht. Aber die Menschen sind bedürftig und werden auch das kleinste Recht einfordern, um der Strafe im Jenseits zu entgehen. Diese Notlage im Jenseits, in der jeder alles braucht, wird im folgenden Hadith Scharīf beschrieben. Unser Prophet (s.a.w.) sagte zu seinen Sahābīs: „Wisst ihr, wer ein Bankrotteur ist?“ Die edlen Sahābīs antworteten: „Der Bankrotteur unter uns ist jemand, der kein Geld und keinen Besitz hat.” Daraufhin sagte unser Prophet (s.a.w.): „Wahrlich, der Bankrotteur in meiner Umma ist jemand, der am Tag der Auferstehung (Qiyāmā) mit Gebeten, Fasten und der Zakat kommt. Er kommt, hat aber diesen beleidigt, jenen verleumdet, jenes Vermögen aufgezehrt und jenes Blut vergossen… Dann wird von seinen Wohltaten diesem und jenem gegeben. Und wenn seine Wohltaten erschöpft sind, bevor seine Schuld beglichen ist, dann werden die Verfehlungen (der Rechteinhaber) genommen und ihm auferlegt. Danach wird er in den Dschahannam geworfen.“ (Muslim, Birr, 29 (2581))
Das Recht des Anderen besteht nicht nur darin, sich das Recht des Anderen durch Diebstahl oder Raub anzueignen. Es gibt viele Dinge, die unter das Recht des Anderen fallen wie zum Beispiel jemanden durch falsches Zeugnis zum Opfer zu machen, Schulden verspätet oder gar nicht zu bezahlen, religiöse Empfindlichkeiten beim Erbe zu missachten, üble Nachrede zu betreiben, eine Person zu verunglimpfen, zu verspotten, durch demütigende Worte zu beleidigen, schlecht zu reden, mit unerwünschten Spitznamen anzusprechen und zu verleumden.
Am schlimmsten ist die Veruntreuung, Unterschlagung, und die unrechtmäßige Verwendung von Gütern, die dem Gemeinwohl dienen, wie die Baytulmāl (Staatskasse) oder das Stiftungsvermögen.
Die Rechte der Nichtmuslime sind ebenso wichtig und schwerwiegend. Diese müssen in höchstem Maße respektiert werden. Solche Rechtsverletzungen können nur durch Versöhnung in dieser Welt durch Versöhnung wieder gut gemacht werden. Diese Versöhnung sollte auf folgende Weise erfolgen: Zuerst muss das unrechtmäßig angeeignete, usurpierte oder gestohlene Gut zurückgegeben werden; bei Verleumdung, Verspottung, Beleidigung und dergleichen ist Reue zu zeigen und um Entschuldigung zu bitten. Danach ist der Berechtigte um Verzeihung der Schuld zu bitten.
Die Nichterfüllung solcher Rechte, die auf dieser Welt zu begleichen sind, und ihre Verschiebung auf das Jenseits ist für einen, der an das Jenseits glaubt, eine große Katastrophe. Allah Ta’ālā sagt in der Sure al-Kahf, Ayet 49: „Und das Buch wird (ihnen an jenem Tag offen) hingelegt. Da siehts du die Übeltäter besorgt wegen dessen, war darin steht. Sie sagen: ,O wehe uns! Was ist mit diesem Buch? Es lässt nicht aus, weder klein noch groß, ohne es zu erfassen.’ Sie finden (alles), was sie taten, gegenwärtig. Und dein Herr tut niemandem Unrecht.” (Sure al-Kahf, 18:49)
Unser Prophet (s.a.w.) legt im folgenden Hadith Scharīf kurz und prägnant dar, mit welcher Sorgfalt ein Muslim das Recht des Anderen zu beachten hat: „Es ist einem Muslim nicht erlaubt, seinen Glaubensbruder mit einem verletzenden Blick anzuschauen.” (Al-Ihyā, Bāb haqq al-muslim)
Gesegnet sind diejenigen, die die Rechte der Menschen im Diesseits achten und rein ins Jenseits eingehen!